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Tamilische Küche

von Nik zu 19. Mai 2010

tamilische-kuecheWer nach der Lektüre von Martin Suters Bestseller „Der Koch“ nach weiteren tamilischen Rezepten sucht, wird eine Überraschung erleben. Denn auch wenn der Markt mit Kochliteratur zu Indien geradezu überschwemmt ist, gibt es lediglich ein Buch auf Deutsch, das sich mit der tamilischen Küche beschäftigt.

Dieses allerdings hat es in sich. Denn hier hat ein Mann akribisch alle Schätze seiner Kindheit versammelt und nach der Lektüre kann man nicht nur verstehen, dass man immer Sehnsucht nach diesem Land haben wird, wenn man dort geboren wurde, sondern vor allem, dass man sich die Aromen dieser tropischen Insel in die heimische Küche holen möchte.

George Dias musste seine tamilische Heimat auf Grund des herrschenden Bürgerkrieges verlassen. Das Kochen war für ihn eine Möglichkeit, fern der Heimat Erinnerungen auf den Tisch zu bringen. Im Laufe seines Studiums konnte er viele Menschen für die tamilische Küche begeistern. Durch die begeisterte Nachfrage wurde ihm klar, dass es an der Zeit wäre, ein Buch rund um die tamilische Küche zu schreiben. Herausgekommen ist dabei nicht einfach ein Kochbuch. Dias geht sehr genau auf seine Heimat ein. Das Land wird vorgestellt, wobei man sich schon fast wie in einem schön bebilderten Reiseführer wähnt. Dann gibt es eine sehr gelungene Einführung und anschließend so kluge wie kenntnisreiche Beschreibungen der Gewürze und verschiedenen Zutaten der tamilischen Küche.

Dias hat mit seinem Buch mehr geschafft, als ein Kochbuch seiner Nation zu schreiben. Er folgt der stimmigen Ansicht, dass man aus der Ferne einen einfachen Zugang zur Kultur eines Landes bekommen kann: indem man die Küche genießt und etwas über die Zutaten und das Land lernt. Denn jedes spezifische Aroma erzählt seine ganz eigene Geschichte.

Santé!

George Dias: Die leckere tamilische Küche. Bochum 2007, ISBN 978-3-00-020886-7, 144 Seiten, geb., 19,90€

Interview mit dem Autor George Dias

Herr Dias, fühlen Sie sich als Tamile, oder als Deutscher?

Obwohl ich in der BRD länger lebe als in Sri Lanka, fühle ich mich in erster Linie als Tamile. Denn ich wurde von der tamilischen Sprache, Kultur, Religion, Klima, Gerüche, Flora und Fauna in meiner Kindheit im Norden Sri Lankas geprägt. Solche wirklich schönen Kindheitsprägungen wird jeder Mensch in seiner Erinnerung behalten. Es kommt insbesondere noch der Aspekt hinzu, dass ich meine Heimat verloren habe und dass ich in absehbarer Zeit nicht dort hinreisen kann. Umso intensiver ist die Sehnsucht nach dieser verloren gegangenen Heimat.

Abgesehen von meinen Kindheitserlebnissen fühle ich mich als ein Kosmopolit. Ich liebe Reisen und fremde Kulturen. Mich reizt es die Lösungen der alltäglichen Probleme der Menschen weltweit kennen zu lernen, die mit unterschiedlichen Methoden, Fertigkeiten, Einstellungen und Elan gefunden werden.

Woher kommt ihre Leidenschaft zum Kochen?

Ich liebe die Natur. Diese Leidenschaft habe ich durch meinen Vater, der auch ein Naturliebhaber ist, in meiner Kindheit vermittelt bekommen. Er brachte mich und meine Geschwister in die Savanne und die Wälder. So hat er mir die wichtigsten Pflanzen, Tiere, die Topografie und den schonenden Umgang mit der Natur beigebracht. Bei diesen intensiven Erfahrungen stellte ich fest, dass jede Pflanze, sogar jedes Pflanzenteil einen typischen Geruch besitzt und dass ich Gerüche sehr intensiv und differenziert wahrnehmen kann. Aufgrund dieser Erfahrung fing ich an jede Pflanze, Gemüse und Gewürze durch schnuppern besser kennen und im Gedächtnis speichern zu lernen.

Außerdem konnte meine Großmutter mütterlicherseits fantastisch und schnell kochen. Vor meiner Kindergartenzeit spielte ich in ihrem Hof, während sie tamilische Gerichte zubereitete. Es roch wunderbar und anschließend konnte ich es auch noch essen. Es schmeckte köstlich. Ihr Spinatcurry war eine Delikatesse.

Es kam ein Zufall hinzu: da meine Eltern beide berufstätig waren bereiteten sie das Essen morgens für Frühstück und Mittagessen vor. Als ich 9 Jahre alt war, begann ich meinen Eltern zu helfen und später einige einfache Gerichte alleine zu kochen. Auf diese Weise habe ich mir das Kochen beigebracht.

Später als ich in die BRD einreiste haben wir Männer – in den Achtzigern lebten hauptsächlich tamilische Männer hier; die Frauen und Kinder kamen später nach Deutschland – zusammen gekocht. Während des Studiums an der Ruhr-Universität Bochum konnte ich die tamilische Küche mit meinen Mitstudenten teilen. Sie fanden es toll. So kam eins zum andern.

Können Sie erklären, wo die wichtigsten Unterschieden zwischen der tamilischen und der indischen Küche liegen?

Gerne. Indien ist ein Subkontinent und dort werden mehr als 200 Sprachen gesprochen und entsprechend vielen Kulturen sind vorhanden. Das heißt, dass Nordinder zum Beispiel wenig von der südindischen Kultur bzw. Küche wissen und umgekehrt. Es ist vergleichbar auch mit der europäischen Küche. Es ist nicht anzunehmen, dass die Südeuropäer z.B. über die finnische Küche Bescheid wissen und auf Anhieb ein finnisches Gericht kochen können. So gravierend sind die Unterschiede zwischen der tamilischen und der so genannten indischen Küche. Treffend kann man sagen, die tamilische Küche ist ein Teil der indischen insbesondere südindischen Küche. Viele Gewürze und Gemüsesorten wachsen konzentriert in Südindien bzw. Südasien. Damit ist die tamilische Küche sehr gewürzintensiv, fettarm und vor allem leicht. Außerdem wird in der traditionellen tamilischen Küche nichts Süßes mit Herzhaftem zubereitet (z.B. Curry mit Ananas usw.).

Das Wort Curry (tam. Karri) und die Zubereitung stammen aus der tamilischen Sprache und Kultur. Es bedeutet Sud oder Sauce. Hier wird nicht die Gewürzmischung (Curry-Pulver), sondern das Zusammengekochte, das Gericht selbst gemeint. Außerhalb Südindiens wird das Pulver mit dieser ursprünglichen Bedeutung des Karris verwechselt. Mittlerweile gibt es unzählige Curry-Varianten, die von der tamilischen Küche, in anderen südindischen Ländern und später in ganz Indien sogar Weltweit zubereitet werden. Die ersten indischen Restaurants in Europa wurden von Nordindern bzw. Pakistanern gegründet. Damals war es notwendig einen Allgemeinbegriff für diese neue Geschmackrichtung zu geben. Es reichte für das Verständnis der hiesigen Bevölkerung es als indisch zu bezeichnen und zudem versuchten die Nordinder auch Gerichte aus Südindien anzubieten (z.B. Madras-Curry). Madras (jetzt Chennai) ist die Hauptstadt des Bundesstaates Tamil Nadu (Tamilisches Land). Durch die Globalisierung und die starke wirtschaftliche Bedeutung Südindiens werden mittlerweile in Deutschland neue Restaurants mit der südindischen Küche eröffnet und eine neue Art von Gerichten angeboten.

Dennoch wird die tamilische Küche von den anderen Küchen beeinflusst und die Übergänge sind fließend.

Nächste Woche finden Sie hier den 2. Teil des Interviews über die Tamilische Küche

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